Chinesisches Unternehmen in Duisburg: NGC Transmission Europe GmbH

02.01.2023CBND

In der Stadt Duisburg haben sich rund 100 chinesische Unternehmen ausgegründet oder Niederlassungen errichtet. Die NGC Transmission Europe GmbH ist eines davon. Das CBND konnte Tim Löschner, Geschäftsführer des deutschen Tochterunternehmens der NGC Group, für ein exklusives Interview gewinnen.

Herr Löschner, wie sind Sie zu NGC gekommen?

Nachdem ich 2005 mein Wirtschaftsingenieurstudium in Kaiserslautern abgeschlossen hatte, habe ich bei einem internationalen Konzern angefangen.

Zwischen 2008 und 2012 wurde ich für diesen Konzern als Expat nach Shanghai entsandt. NGC war Kunde dieses Konzerns und so entstand der Kontakt. Im Jahr 2015 habe ich dann bei der gerade gegründeten NGC Europe den Bereich Business Development und Strategie übernommen. Seit 2018 bin ich für das Tochterunternehmen als Geschäftsführer tätig.

Wie ist NGC in China und international aufgestellt?

NGC kommt aus dem klassischen Maschinenbau und hat sich seit den Anfängen vor über 50 Jahren zu einem der weltweit größten Anbieter von Lösungen in der Antriebstechnik für verschiedenste Branchen entwickelt. Windgetriebe sind NGCs stärkster Geschäftsbereich. Aber auch Bahngetriebe sowie Getriebe für die Bau- und Lebensmittelindustrie oder die Transport- und Logistikbranche gehören mit zum Produktportfolio des Konzerns sowie jüngst auch Getriebe für Roboter und für Elektrofahrzeuge.

Die Unternehmenszentrale von NGC sitzt in Nanjing (China). Dort befindet sich auch der Großteil unserer Fertigungswerke, von denen die Getriebe direkt an die Kunden geliefert werden. Neben China und Deutschland ist NGC auch in Indien, den USA und Singapur vertreten. Weltweit beschäftigt NGC rund 6.200 Mitarbeiter, Tendenz steigend. Der in 2021 erzielte Jahresumsatz lag bei 2,5 Milliarden Euro

Im Heimatmarkt China belegt NGC schon seit längerem als größter Lieferant für Windkraftgetriebe Platz 1. International gesehen gehört NGC zu den großen Dreien der Branche, wobei wir mit mehr als 90.000 verkauften Hauptgetrieben und mehr als 450.000 Blatt- und Verstell-Antrieben mengenmäßig aktuell auch hier führend sind.

Was war der Grund für die internationale Expansion?

Ausschlaggebend waren mehrere Gründe. Zum einen ist dafür das rasante Wachstum des Windenergiemarktes in den Boomjahren bis 2017 verantwortlich. Zum anderen zeichneten sich erste Sättigungstendenzen im heimischen Markt (China) ab. Mehr Kundennähe war ein weiterer wesentlicher Grund für die Go-Global-Strategie. Wir wollten unseren Kunden möglichst kurze Reaktionszeiten bieten können. Diese sind besonders im Bereich der Getriebe-Services wichtig, also für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten oder auch Reparaturen an den Getrieben, die in aller Regel direkt am Standort der Windanlage vorgenommen werden. Das Thema „schnellere Erreichbarkeit“ war uns ein weiteres Anliegen, da nicht mehr auf unterschiedliche Zeitzonen Rücksicht genommen werden musste.

2008 gründete NGC zunächst eine Niederlassung in den USA, zuständig für den gesamten nord- und südamerikanischen Raum. 2014 wurde dann eine weitere Niederlassung für den gesamten asiatisch-pazifischen Raum (ohne China) eröffnet. Im gleichen Jahr, etwas später, folgte dann Deutschland mit Gründung von uns, der NGC Transmission Europe GmbH. 2016 ist mit Indien der bislang letzte Standort dazugekommen.

In unserer deutschen Niederlassung sind wir direkter Ansprechpartner für unsere europäischen Kunden, wenn es um die Themen Vertrieb, Getriebe-Engineering und Getriebe-Service geht. NGC pflegt Geschäftsbeziehungen mit zwei der drei großen europäischen Anlagenhersteller mit Windgetrieben. Bleibt also noch etwas Luft nach oben für uns. Übrigens gehört neben Europa auch der Mittlere Osten und Afrika zu unserem Wirkungsgebiet.

Warum hat NGC den Standort Duisburg als Regional Headquarter für das Gebiet EMEA (Europe-Middle East-Africa) ausgewählt?

Wenn man in Europa an Maschinenbau denkt, denkt man direkt an Deutschland, oder? Das war auch der Gedanke, der unsere Mutter seinerzeit bei der Standortentscheidung vorantrieb. Vor allem das Ruhrgebiet ist historisch durch Stahlindustrie und Bergbau sehr ingenieurlastig. Damit hat sich auch eine entsprechende Ausbildungs-, Hochschul- und Forschungslandschaft in diesem Teil Deutschlands etabliert. Bei Getriebe-Neuentwicklungen arbeitet unser Engineering beispielsweise mit renommierten Universitäten wie die Ruhr-Uni Bochum oder der RWTH Aachen eng zusammen. Daneben sind wir in der Region auch nahe an unseren Mitbewerbern, die man bekanntlich nie aus den Augen verlieren sollte. Gleichzeitig ist das Ruhrgebiet damit Einzugsgebiet für qualifizierte Fachkräfte.

Wichtig für die Entscheidung war auch die Infrastruktur, die Duisburg mit seinem Hafen, der guten Autobahnanbindung und der Nähe zum internationalen Flughafen Düsseldorf bietet. Europäische Kunden sind für uns ebenso wie wir für sie schnell erreichbar. Flüge nach China zu unserem Mutterkonzern oder der Besuch unserer chinesischen Kollegen bei uns sind unproblematisch möglich. Nicht zu vergessen die Bahnverbindung von Duisburg nach China, wenngleich wir sie für unsere Windgetriebe nicht nutzen können.

Alle Schritte für den Aufbau der Tochtergesellschaft in Deutschland wurden seinerzeit aus China koordiniert. Wertvolle Unterstützung gab es seitens der Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.Invest, deren Außenbüro in China und der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung Duisburg (GfW Duisburg, heute Duisburg Business & Innovation). Die Anforderungen, die NGC an den neuen Standort hatte, ließen sich mit Duisburg perfekt realisieren. Abgesehen davon war Duisburg in China über die "One Belt, One Road"-Initiative bereits bekannt.

Welche Besonderheiten erkennen Sie bei der Führung eines deutsch-chinesischen Teams?

Es ist definitiv einen Unterschied ein urdeutsches Unternehmen zu führen oder ein Unternehmen mit einem chinesischen Mutterkonzern. Die kulturellen und sprachlichen Unterschiede sind einerseits erfrischend, andererseits herausfordernd.

Unser Team – wir sind aktuell 35 Personen – ist international. Neben deutschen und chinesischen Mitarbeitenden haben oder hatten wir schon Kollegen aus Polen, Spanien, Russland und der Türkei. Am Anfang haben wir den Mitarbeitenden ein interkulturelles Training und Sprachkurse angeboten, um ihnen die chinesische Kultur, die doch sehr anders ist, nahezubringen.

Zudem stand das Team in Duisburg von Anfang an nicht unter chinesischer Leitung.

Abgesehen von den Nationalitäten hat man es immer auch mit unterschiedlichen Charakteren zu tun. Das bringt einen schon mal zum Nachdenken, was richtig und falsch läuft in der Unternehmensführung, soweit man in den Kategorien denken kann. Aber es macht sehr viel Spaß.

Welches Personal wird bei NGC momentan gesucht? Und welche Vorteile bietet NGC als Arbeitgeber?

Grundsätzlich suchen wir immer Ingenieure, vornehmlich mit Berufserfahrung. Aber auch Absolventen, die an die Themen herangeführt werden, sind bei uns willkommen. Ein hoher Anteil unserer Mitarbeiter kommen von der Ruhr-Uni Bochum und der RWTH Aachen. Daneben haben wir immer auch Bedarf an Servicetechnikern. Ein Beruf für alle, denen ein Schreibtischjob nicht spannend genug ist, die reiselustig und vor allem höhentauglich sind. Denn sie sind es, die unsere Getriebe in den Windanlagen in ganz Europa warten und reparieren.

NGC ist, wenngleich ein Maschinenbauunternehmen, kein Traditionskonzern, der an alten Konzepten festhält. Wir sind dynamisch und offen für Veränderungen. Unser recht junges Team schätzt unser Angebot zum Mobilen Arbeiten, flexible Arbeitszeiteinteilung und auch unser Angebot zur betrieblichen Altersvorsorge. Zusätzliche Goodies, wie kostenfreies Wasser, Kaffee/Tee und frisches Obst werden ebenfalls im Kollegenkreis sehr geschätzt.

Welche unternehmerischen Entwicklungen plant NGC, in China und am Standort in Duisburg?

Ziel ist es, mit dem Windmarkt und unseren Kunden zu wachsen, und das nicht nur in China, sondern weltweit. Um dem Bedarf nachzukommen, sind wir in China gerade dabei, ein neues Werk für Windgetriebe zu bauen. Voraussichtliche Fertigstellung wird Frühjahr 2023 sein. Und es soll zukünftig noch weiter investiert werden.

Generell verhält sich Windenergiebranche in Wellenbewegungen. Aktuell profitiert NGC von der Marktentwicklung im Bereich Erneuerbare Energien. China ist der stärkste Markt mit einem Marktanteil von ca. 60 %, bei den Neuinstallationen sind es rund 50 % des Weltmarktes. Als einer der drei weltweit größten Windgetriebelieferanten entfernt sich NGC immer weiter von den Wettbewerbern. Die Absatzmöglichkeiten auf dem Heimatmarkt machen es möglich.

In Europa durchschreitet die Windenergiebranche gerade ein Tal. Marktunsicherheiten hervorgerufen durch schleppende Genehmigungsverfahren bei den Windanlagen, Investitionshemmnissen bedingt durch eine Kosteninflation und andere Gründe verhindern derzeit, den so dringend geforderten Ausbau der Windenergie. Ab 2025 ist allerdings wieder mit Aufwind zu rechnen, den NGC mitnehmen möchte.

Was unsere anderen Geschäftsbereiche betrifft, also unsere Bahn- und Industriegetriebe, ist NGC noch sehr stark auf den asiatischen Markt fokussiert. Dementsprechend gibt es noch Expansionspotenzial für den Rest der Welt, so auch für Europa.
Jedes Unternehmen, das Getriebe braucht – also nicht nur Windenergie –, ist bei NGC willkommen.

Dass NGC Europe keine Eintagsfliege ist, wie einige Unternehmen, die sich aus dem Ausland ansiedeln, haben wir bewiesen. Seit nunmehr 8 Jahren sind wir in Duisburg und das soll sich auch zukünftig nicht ändern. Im Zuge unseres Wachstums entstehen im Duisburger Hafen derzeit auf einer Grundfläche von 750 Quadratmetern neue Büroräume und eine Lagerhalle. Die Fertigstellung ist für das kommende Frühjahr geplant. Aus unseren aktuell zwei Standorten in Duisburg, wird dann einer. Die Büroräumlichkeiten im Innenhafen geben wir auf. Für die nächsten 5 Jahre sollten wir so bestens gerüstet sein.

Das Interview führte Stefanie L. Hegger. Im Namen des CBND herzlichen Dank an Tim Löschner und Katja Garstecki.

Windgetriebe-Lieferant NGC am Standort Duisburg. Bild: NGC.