Kultur der Überstunden im urbanen China

18.12.2022Konfuzius-Institut Metropole Ruhr

Seit der turbulenten wirtschaftlichen Entwicklung in China sind Überstunden zu einem untrennbaren Bestandteil des Lebens vieler Angestellter geworden. Gesprochen wird von einer Überstundenkultur, die man auch schon in anderen aufstrebenden asiatischen Volkswirtschaften beobachten kann. Vor allem in Chinas Städten ist die Allgemeingültigkeit von Überstunden und die stillschweigende Akzeptanz von extrem langen Arbeitszeiten erstaunlich. Angestellte leben regelrecht am Arbeitsplatz und verbringen dort auch ihre Frei(?)zeit. Arbeitsrechtliche Bestimmungen gibt es auch in China, nur greifen sie in der Regel in geringem Umfang. Überstunden müssten eigentlich gesondert vergütet werden und sind auf 55 Stunden pro Woche begrenzt. Arbeitsverträge nach dem 996- oder 995-Prinzip – Arbeitszeiten von 9 bis 21 Uhr an sechs bzw. fünf Tagen in der Woche – umgehen diese Regelungen jedoch.

Die Gründe für die weit verbreitete Überstundenkultur sind vielfältig. Sie reichen von wirtschaftlichen Notwendigkeiten – das Leben in Chinas Städten ist teuer – über Besonderheiten der chinesischen Kultur. Hierarchien sind in konfuzianischen Beziehungen hoch und der Chef kann viel einfordern. Der Druck im chinesischen Arbeitsmarkt ist ein weiterer Grund: Unternehmen können vor allem auf gut ausgebildete junge Menschen zurückgreifen, die zu Hauf aus den Universitäten strömen und sehr arbeitsbereit sind. Und nicht nur Zwänge befeuern die Überstunden, auch sind das wirtschaftliche Tempo und die Geschwindigkeit, in der Karriere gemacht werden kann, enorm schnell in China und nicht jede Überstunde ist den Arbeitnehmenden abgerungen.

Interessant ist die Untersuchung von Dr. Monika Arnoštová, die zeigt, wie Menschen mit ihrer Zeit umgehen. So scheinen Menschen in höheren Positionen, die auch sehr viel arbeiten und konstant Überstunden machen, mehr daran interessiert zu sein oder in der Lage zu sein, ihre Freizeit aktiv und sinnvoll zu gestalten.

Die Überstundenkultur, oder wie einige Zuhörer meinten „Unkulutur“, stellt vor allem eine große Herausforderung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dar, die in China immer noch nicht so hoch geschätzt wird wie in Europa. Kinder wachsen bei ihren Großeltern auf, was in China nicht unüblich ist, da die Eltern arbeiten. Dabei nehmen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen nicht alles hin. Sicherlich ist die neue Flachliegen-Bewegung (躺平tangping) ebenfalls hier einzuordnen.

Die Referentin der Veranstaltung „Kultur der Überstunden im urbanen China“, die am 08.12.2022 am Konfuzius-Institut Metropole Ruhr stattfand, ist Wissenschaftlerin am IN-EAST Institut für Ostasienwissenschaften an der Universität Duisburg-Essen. Im Vortrag präsentierte die akademische Rätin für die chinesische Gesellschaft und vergleichende Soziologie ihre Arbeit und ihr Forschungsfeld.

 

Dr. Monika Arnoštová war zu Gast am Konfuzius-Institut Metropole Ruhr und sprach über das Thema „Kultur der Überstunden im urbanen China“.