Krieg in der Ukraine – die Folgen und wie es weiter geht

20.03.2022Johannes Pflug

Seit 5 Wochen nun schon überzieht der russische Staatspräsident Putin die Ukraine mit einem mörderischen Angriffskrieg, in dem bereits tausende Menschen getötet und ukrainische Städte verwüstet wurden und weiterhin verwüstet werden. Über zwei Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, überwiegend Frauen und Kinder, sind bereits ins Ausland geflüchtet oder auf der Binnenflucht, während ihre Männer, Partner, Väter und Brüder versuchen, ihr Land gegen eine technisch weit überlegene russische Armee zu verteidigen.

Globalen Krieg vermeiden, diplomatische Lösungen finden

Die Europäische Union, die USA und die NATO-Staaten leisten den Landesverteidigern in der Ukraine humanitäre und militärische Ausrüstungshilfe bis an die Grenze einer direkten Verwicklung in diesen Krieg.

Eine direkte Verwicklung würde die Riesengefahr des Beginns eines dritten Weltkrieges bedeuten, wie der amerikanische Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Scholz und fast alle europäischen Staatsmänner und -frauen und Militärs immer wieder betonen. Zudem steht Putins Drohung, nukleare Waffen einzusetzen, im Raum. Je länger dieser Krieg dauert, desto größer wird die Gefahr eines globalen Krieges. Auch wenn die täglichen Bilder aus der Ukraine im Fernsehen immer schrecklicher werden, dürfen wir einen dritten Weltkrieg mit nuklearer Katastrophe nicht riskieren, sondern müssen alles daransetzen, diplomatische Lösungen mit schnellem Kriegsende zu finden. Danach geht das Leben für alle weiter, vor allem in der Ukraine und für ihre Menschen im In- und Ausland.

Deshalb dürfen auch nicht alle Brücken zu Russland abgebrochen werden. Putin ist nicht Russland. Und seine willfährigen Helfer werden nach dem Kriegsende als erste von der Bildfläche verschwinden und als Bauernopfer zur Rechenschaft gezogen werden. Jede Niederlage braucht ihre Schuldigen. Die russische Armee kann zwar den Krieg gewinnen, aber Putin kann den Frieden nicht gewinnen.

Russland ist auf China angewiesen

China verhält sich während der ganzen Zeit des Krieges taktisch. Zwar haben der chinesische Staatspräsident Xi Jinping wie auch andere chinesische Spitzenpolitiker mehrfach ihr Verständnis für das „Sicherheitsbedürfnis“ Russlands bezüglich einer Bedrohung durch die NATO und ihre Solidarität mit Russland bekundet. Aber im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen haben sie nicht mit den Russen gegen den Resolutionsentwurf zur Verurteilung Russlands gestimmt. Vielmehr hat sich China der Stimme enthalten, genauso in der Vollversammlung der Vereinten Nationen . Mit China haben sich weitere 34 Staaten, davon die meisten afrikanische und asiatische Staaten, der Stimme enthalten. China möchte seine Partner in Afrika und Asien nicht verlieren. Die Unterstützung eines Angriffskrieges würde mit den Beteuerungen hinsichtlich der Unverletzlichkeit von staatlicher und territorialer Integrität und Selbstbestimmung der Völker nicht zusammenpassen.

Durch die Wirkung der Sanktionen der USA, der EU, Japans, Australiens, Kanadas und vieler europäischer und weiterer Staaten ist Russland auf weitgehende chinesische Wirtschafts- und Finanzhilfen angewiesen, insbesondere auch beim Zugang zu den globalen Finanzsystemen.

Russland hat sich damit endgültig zum chinesischen Juniorpartner auf globaler Ebene gemacht. Dies obwohl Putin in den letzten 15 Jahren durchaus erfolgreich darin war, Russland aufgrund seiner Militärmacht neben den USA und China wieder zum Globalplayer auf einer Ebene mit den beiden Supermächten zu machen. Wirtschaftlich liegt Russland gemessen am Bruttosozialprodukt zusammen mit Spanien etwa auf Platz 8 im weltweiten Vergleich. Wegen der dreifachen Bevölkerungszahl Russlands beträgt dessen BSP pro Kopf aber nur ein Drittel dessen Spaniens. Die russische Infrastruktur ist schlecht, insbesondere auch die zur Förderung von Öl, Gas und Bodenschätzen. Vor allem hat Russland es versäumt, eine eigene verarbeitende Wirtschaft der hier genannten Exportgüter aufzubauen.

Die Sanktionen der oben genannten Staaten wirken sich immer heftiger aus. Der Rubel ist im Sinkflug und wird als Zahlungsmittel von außerrussischen Banken kaum noch akzeptiert. Die Not der russischen Bevölkerung wird dramatisch zunehmen. Zugleich kann auch eine noch so drakonische Zensur der Medien nicht verhindern, dass die Bilder von getöteten russischen Soldaten und das Leiden der ukrainischen Zivilbevölkerung die russischen Wohnstuben erreicht. Der Druck auf Putin und seine Vasallen wird immer stärker werden.

China beobachtet die Auswirkungen der Sanktionen auf Russland sehr genau und wird mit Sicherheit strategische Konzepte zur Vermeidung oder Minderung von solchen Auswirkungen entwerfen, sollte es selbst betroffen werden, zum Beispiel im Falle eines gewaltsamen Vorgehens Chinas gegen Taiwan.

Bedeutung für die deutsche Wirtschaft und die Neue Seidenstraße 

Auch die europäischen Staaten erleben jetzt natürlich die Auswirkungen ihrer eigenen Sanktionen. Der Preis für Kfz-Treibstoffe klettert in bisher nicht gekannte Höhen und verteuert viele Produkte und Dienstleistungen. Wer nach Asien fliegt, muss wegen der Überflugverbote jetzt wieder längere Flugzeiten und Umwege in Kauf nehmen. Vereinzelt kommt es in bestimmten Branchen schon zu Produktionseinschränkungen und sogar Stopps. Die Bundesregierung wird mit Hilfsprogrammen versuchen, für einkommensschwache Haushalte Milderung der Auswirkungen zu erreichen.

Der Duisburger Hafen hat seine Beteiligung und aktive Mitwirkung am Greatstone-Projekt eingestellt. Es ist das weltweit größte, im Rahmen der BRI im Wesentlichen von China finanzierte Logistikprojekt in Minsk/Belarus. Deutsche und europäische Versicherungsgesellschaften halten sich immer stärker damit zurück, Güter zu versichern, die über die Eisenbahn-Seidenstraße nach China oder nach Deutschland/Europa transportiert werden sollen. Sie fürchte vor allem amerikanische Sanktionen, aber auch Verluste auf dem Transportweg.

Deshalb bemühen sich nun die Akteure an beiden Enden der Neuen Seidenstraße, die südliche Route nach Europa durch die zentralasiatischen Staaten, das Kaspische Meer, die Südkaukasus-Staaten und die Türkei zu beleben. Das bedeutet wegen der Schiffpassagen und Umwege einen erheblichen Mehraufwand an Zeit.

Dies alles bedeutet unter den bereits durch die Auswirkungen von Corona bestehenden Veränderungen in den Liefer- und Wertschöpfungsketten und unter Berücksichtigung zusätzlicher Ausgaben- und Umstrukturierungsprogramme der Bundesregierung (100 Mrd. € Sondervermögen für die Bundeswehr, Bau von LNG-Speichern, VAR als neue Gaslieferanten etc.) erhebliche Auswirkungen für die deutsche Wirtschaft.

Szenario für das Ende des Ukraine-Krieges

Der Krieg wird vermutlich Ende April/Mai mit einem fragilen Waffenstillstand enden. Eine Stabilisierung kann durch Sicherheitsgarantien der beiden Supermächte USA und China erreicht werden. Falls die EU ihre zurzeit bestehende Einigkeit beibehält, könnte sie ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Anderenfalls wird sie am Katzentisch sitzen. Danach wird es in Russland zu Abrechnungen und Veränderungen kommen, die auch Putin nicht politisch überleben wird.

Russland steht vor schweren Zeiten. Die Ukraine wird durch europäische und amerikanische Hilfe einen beeindruckenden Wiederaufbau erleben und sich trotz Neutralität und Nichtmitgliedschaft in der NATO deutlich in Richtung Europa orientieren. Damit hat Putin ein weiteres Ziel nicht erreicht, nämlich die Osterweiterung der Demokratie zu verhindern. Die NATO-Jurisdiktion besteht statisch innerhalb ihrer klar definierten Grenzen. Demokratische Gedanken kennen keine Grenzen. Sie kann man auch mit Militär nicht aufhalten.