Deutsch-chinesische Beziehungen im November 2020

15.11.2020China-Beauftragter Duisburg und CBND-Vorsitzender Johannes Pflug

Seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik (VR) China haben sich die Beziehungen sehr gut entwickelt. Es gibt gemeinsame Kabinettssitzungen im 1 bis 2 jährigen Turnus, gegenseitige Besuche der beiden Regierungs- und Staatsspitzen sowie gegenseitige Ministerbesuche.

Besonders beeindruckend sind jedoch die Zahlen in den Handelsbeziehungen zwischen den beiden Staaten. Seit 1972 haben sich die Exporte deutscher Unternehmen nach China von ursprünglich 270 Mio. USD in 1972 auf 96 Mrd. EUR in 2019 mehr als verdreihundertfünfzigfacht. Allerdings sind die USA ein noch viel größerer Handelspartner für China mit enormen Exportüberschüssen der Volksrepublik gegenüber Amerika. Deshalb hat der gerade abgewählte US-Präsident Trump chinesische Importe in die USA mit erheblichen Strafzöllen in Höhe von 15 bis 25 Prozent belegt. Auch die Europäer, Japaner, Kanadier und andere Staaten blieben von diesen Strafzöllen nicht verschont. Realistischerweise muss man wohl sagen, dass hier die Wirtschaft insgesamt als Waffe in einem globalen Konflikt zwischen den USA und China von den Amerikanern eingesetzt wird.

Aber auch die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Europa inklusive Deutschland sind gerade in den letzten Jahren nicht spannungsfrei. Das hat zu tun mit den sich unter Trump ständig verschlechterten internationalen Beziehungen und der damit einhergehenden Polarisierung zwischen den beiden Supermächten. Direkt betroffen sind deutsche und europäische Unternehmen aber schon lange durch in China weiter bestehende Marktbeschränkungen und Benachteiligungen. Von Deutschen und Europäern wird die mangelnde Reziprozität in den Wirtschaftsbeziehungen beklagt. Die EU hatte am 12. März hierzu einen Katalog mit 10 Forderungen an China vorgelegt.

Des Weiteren stießen chinesische Finanzbeteiligungen und Einkäufe von deutschen Technologieunternehmen auf unüberhörbare Kritik und Widerstand in der Wirtschaft, der Politik aber auch der Bevölkerung. Die anfänglich begrüßte Belt and Road Initiative wird zunehmend kritisch gesehen.

Zunehmende Sorgen bereiten auch die chinesische Außenpolitik sowie Menschenrechtsverletzungen, die Zensur des chinesischen Internets und der Medien sowie die Unterdrückung von Regimekritikern. Auf jeden Fall ist es wichtig, zu analysieren, woher und von wem die Kritik an China kommt und welche Interessen sich z. T. dahinter verbergen, zumal die unbestreitbar bestehenden Menschenrechtsverletzungen durch China häufig als Totschlagargument gegen jede Art erfolgreicher Kooperation und vernünftiger Beziehungen benutzt werden.

Die deutsche China-Politik wird einen Weg gehen, der die eigenen deutschen Interessen vertritt, dabei aber nicht die eigenen Werte aus den Augen verliert, wobei diese Außenpolitik fest eingebettet sein muss in eine gesamteuropäische Außenpolitik. Die amerikanische Deutschland- und Außenpolitik unter dem abgewählten US-Präsidenten Trump hat den Deutschen und Europäern deutlich gemacht, dass die in den Nachkriegsjahren gewachsene feste Westbindung an die Vereinigten Staaten so heute nicht mehr funktioniert. Donald Trump hat die amerikanische Außenpolitik völlig unberechenbar gemacht, die Verlässlichkeit auf die USA in Frage gestellt und die alte Nachkriegsordnung mit der Ordnungsmacht USA zerstört. Zugleich versuchen Republikaner wie auch Demokraten in den USA zu verhindern, dass China eine Rolle als globale Ordnungsmacht spielen kann.

China hat sich für Deutschland und die europäischen Staaten zu einem Partner entwickelt, zu dem sehr gute Handels- und Geschäftsbeziehungen bestehen. Zugleich sind deutsche und europäisch Unternehmen mit hoher Abhängigkeit im Chinageschäft besonders dem Druck durch die chinesischen Behörden ausgesetzt oder von Benachteiligungen in China betroffen. Sie sind auf eine starke einheitlich orientierte und handelnde EU angewiesen. Deutschland ist trotz seiner Wirtschaftsmacht alleine mit dieser Aufgabe überfordert, erst recht die anderen europäischen Staaten. Sollte die EU es nicht schaffen, auf der Basis gemeinsamer Standpunkte in der Außenpolitik und der Außenhandelspolitik zu handeln, würden die einzelnen Staaten mit ihren Wirtschaftsaktivitäten zwischen den beiden Machtblöcken zerrieben. Als Instrumente dienen ihnen hierbei diplomatischer Druck, Drohungen und Sanktionen.

Gerade vor dem Hintergrund der Wahl von Joe Biden als neuen amerikanischen Präsidenten verändern sich auch die Perspektiven für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Europa einerseits und China andererseits im positiven Sinn. An erster Stelle steht eine Verbesserung des globalen politischen Klimas. Auch wenn sich unter Biden die amerikanische Chinapolitik zunächst nicht ändern wird, so wird sie doch wieder berechenbarer und kompromissorientierter. Für Deutschland und China bieten sich nun Chancen für eine verstärkte Zusammenarbeit in der Weltklimapolitik, in der Stärkung der internationalen Organisationen wie z. B der WHO, der WTO, der UNO, in der Armutsbekämpfung, der Sustainable Development Goals und wie bereits ausgeführt einem großen Infrastruktur-Investitionsprogramm in Zentralasien.

Bereits absehbar sind nun die Unterzeichnung des europäisch-chinesischen Investitionsabkommens sowie die Fortsetzung der Menschenrechtsdialoge.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass auch unter Präsident Biden die amerikanischen Forderungen zur Erhöhung des deutschen Verteidigungsbeitrages in der NATO, die Aufgabe des Nordstream 2Projektes bestehen bleiben werden und auch die einfache Erneuerung des Atomvertrages mit dem Iran nicht funktionieren werden. China sollte sich aber auch darauf vorbereiten, dass trotz fortbestehender Probleme zwischen den USA einerseits sowie Deutschland, Europa und der NATO andererseits das Verhältnis schon bald wieder enger werden wird und auch die gemeinsamen Werte wieder eine stärkere Rolle spielen werden.

China-Beauftragter und Vorstandsvorsitzender Johannes Pflug
China-Beauftragter und Vorstandsvorsitzender Johannes Pflug