Chinapolitik der Stadt Duisburg 2021

25.11.2021Johannes Pflug

Nach 35 Jahren Reform- und Öffnungspolitik mit der Folge hoher industrieller Produktionskapazitäten hat sich China zur Exportnation Nr. 1 entwickelt. Diese Produkte müssen exportiert werden, wozu das Land eine leistungsfähige Transportinfrastruktur benötigt. Als attraktiver Absatzmarkt bieten sich hierfür die Länder Europas an. Da die chinesische Regierung bereits seit Anfang der 2010er Jahre die Absicht hatte, neben einer Eisenbahn-Seidenstraße durch Zentralasien und die Mongolei zusätzlich eine maritime Seidenstraße in Form eines Gürtels von Tiefseehäfen im chinesischen Meer, dem indischen Ozean, an der afrikanischen Ostküste, im Mittelmeer und schließlich im Nordatlantik zu ergänzen, wurden zur Umsetzung dieser Absicht passende Seehäfen wie auch Binnenhäfen mit günstigen Verbindungen und guter Verkehrsinfrastruktur zu Lande und zu Wasser gesucht.

Handelspolitik der VR China im Rahmen ihrer Seidenstraßen-Initiative

Sehr schnell richtete sich das Augenmerk der Chinesen auf den Duisburger Binnenhafen, den größten Binnenhafen Europas. Duisburg ist ein wichtiger Knotenpunkt im Fernzugverkehr wie auch im Bundesfernstraßenverkehr. Außerdem ist Duisburg mit seiner schnellen Erreichbarkeit des Flughafens Düsseldorf-Lohausen, dem drittgrößten Flughafen Deutschlands, in einer exzellenten Situation.

Zugleich ist Duisburg das Oberzentrum am Niederrhein und westlicher Pol des Ruhrgebietes. Damit erfüllte Duisburg alle wichtigen Anforderungen der Chinesen für ihre Handelspolitik im Rahmen ihrer Seidenstraßen-Initiative.

Das hatte auch die Duisburger Hafenleitung erkannt und deshalb sehr frühzeitig Gespräche und Verhandlungen mit den Chinesen aufgenommen. Als Ergebnis dieser Verhandlungen lief am 29. März 2014 der erste Zug, genannt Yuxinou, aus Chongqing in den Duisburger Hafen Logport ein. Der chinesische Staatspräsident Xi Jinping höchst selbst in Begleitung des damaligen Bundes-Wirtschaftsministers, der Ministerpräsidentin von Nordrhein Westfalen, des Duisburger Oberbürgermeisters Sören Link und des Hafenchefs Erich Staake nahmen den ersten Zug vor Ort in Empfang.

Bei dieser Gelegenheit erklärte Xi Jinping, dass China Duisburg zum westlichen Endpunkt seiner Seidenstraße bestimmt habe.

Ständige Zugverbindung zwischen Duisburg und China

Die Stadt Duisburg erwartete von dieser neuen ständigen Zugverbindung nach China eine stetig wachsende Zunahme des Güterverkehrs zwischen China und Duisburg. Als Folge der Zunahme prognostizierten die Duisburger eine Ausdehnung des Duisburger Logistikzentrums Logport, ein stark ansteigendes Interesse großer Logistikunternehmen am Standort Duisburg. Dieses Interesse sollte sich niederschlagen in direkten Investitionen am Standort Duisburg. Dabei waren nicht nur die chinesischen Logistikunternehmen und Logistik nahen Dienstleister von Interesse sondern auch die in- und ausländischen Unternehmen der gleichen Branchen, auf welche die wachsende chinesische Dauerpräsenz in Duisburg als Katalysator wirken würde. Diese Erwartungen und Prognosen haben sich erfüllt. Ebenso wurde die Erwartung eines sogenannten „Spill-over-Effektes“ vom Logistikzentrum in die Stadt hinein erfüllt. Eine Folge der rasanten Zunahme der aus China ankommenden Züge auf zurzeit rund 50 pro Woche ist die Expansion der Duisburger Hafentochter Logport zu einem riesigen Logistikzentrum mit mehr als 6000 Beschäftigten. Der direkte Chinaanteil liegt etwas unter 10 %, also bei etwa 500 Beschäftigten.

Allerdings kamen hoffnungsvolle Projektplanungen zwischen chinesischen und deutschen Unternehmen wie das Chinese Trade Center Europe durch die mehr als zweijährige Unterbrechung der Beziehungen zwischen den Geschäftspartnern und zusätzliche staatliche Restriktionen zum Stillstand.

Nichtsdestotrotz haben sich die Handelsbeziehungen zwischen Duisburg und chinesischen Städten der Seidenstraße deutlich vermehrt. Neben Chongqing bestehen mittlerweile regelmäßige Zugverbindungen mit der Duisburger Partnerstadt Wuhan, mit Shenyang, Yiwu, Shanghai, Xi’An und weiteren Destinationen. Bei den jährlich stattfindenden Logistikkonferenzen, Messen und Foren dieser Städte legt man großen Wert auf die Teilnahme von Duisburger Seite. Auch die große Logistik-Stadt Chengdu hat längst ihre Fühler erfolgreich in Richtung Duisburg ausgestreckt und beide Städte kooperieren miteinander.

Duisburg für Chinesen als Tor zu Westeuropa

Bereits nach dem Besuch des chinesischen Staatspräsidenten in Duisburg konnte die Stadt an Rhein und Ruhr sich eines immer größeren Interesses von chinesischen Besuchern erfreuen.

Es kommen chinesische Staats- und Provinzminister nach Duisburg, Unternehmenschefs und hochrangige Diplomaten, und die Anzahl größerer Delegationen aus China wird immer größer. 2018 waren es bereits 60 Delegationen, welche die Stadt besuchen. Spätestens nach dem Besuch des chinesischen Staatspräsidenten in Duisburg haben die meisten mit China beruflich geschäftlich befassten Duisburger erkannt, dass die Chinesen ernsthaft und langfristig an ihrer Stadt interessiert sind.

Für Duisburg zeichnet sich damit die Perspektive einer neuen kommunalen Außenpolitik deutlich ab. Von Duisburg aus ist man innerhalb von 30 Minuten mit dem Pkw in den Niederlanden, unter anderem in Venlo mit dem großen Containerhafen an der Maas. In 90 Minuten erreicht man die belgische Grenze und in 3½ Stunden Frankreich. Die Chinesen haben Duisburg als Tor zu Westeuropa ausgemacht.

Dies wird noch verstärkt durch Duisburgs Verkehrsverbindungen per Eisenbahn, Schnellstraßen und Wasserstraßen zu den belgischen Häfen Zeebrugge, Antwerpen und Ostende. Außerdem verbindet Duisburg seit 1964 eine Städtepartnerschaft mit der französischen Hafenstadt Calais, dem Ausgangspunkt für schnelle Zugverbindungen durch den Kanaltunnel in die britische Stadt Folkestone oder per Fähre in den Hafen Dover. Diese Partnerschaften könnten nach dem BREXIT an Bedeutung gewinnen.

Die genannten Häfen sind, wie unter anderem auch der niederländische Hafen Rotterdam und der Hamburger Hafen, Anlaufstellen für chinesische Schiffe in der maritimen Kette von chinesisch präferierten Seehäfen oder sogar Seehäfen mit zum Teil wesentlicher chinesischer Kapitalbeteiligung.

China-Stadt Duisburg

Aufgrund der rasanten Entwicklung der Beziehungen zwischen Duisburg und verschiedenen chinesischen Städten sprach der Duisburger Oberbürgermeister von der „China-Stadt Duisburg“.

Diese Einschätzung des Duisburger Oberbürgermeisters wird in sehr eindrucksvoller Weise durch zwei wissenschaftliche Studien bestätigt: Zum einen handelt es sich um eine gemeinsam von der deutschen Außenwirtschaftsagentur „Germany Trade and Invest (GTAI)“ und dem Deutschen Industrie und Handelskammer Tag (DIHKT) am 26.02.2018 vorgestellten Studie: Dort heißt es wörtlich: „… Kurzfristig interessant für deutsche Unternehmen sind Beteiligungen an Projekten zwischen Peking-Duisburg-Jakarta-Dar es Salaam. Mittel- bis langfristig rückt dann auch die Erschließung dieser neu verbundenen Märkte in den Fokus.“

Diese Aussage erfährt noch eine Bestätigung und Ergänzung durch eine Expertise des größten deutschen Think Tanks, der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) von Ende März 2018. Die SWP stellt folgendes fest: „Es können durch die chinesische Konnektivitätspolitik (Verbindungspolitik) und deren transnationale Netzwerke neue geografische Regionen entstehen. Das gilt zum Beispiel für Flaggschiffprojekte, die China in seiner Seidenstraßeninitiative verfolgt, etwa in Duisburg oder Gwadar (Pakistan). Hier sollen Weichen für neue technische Entwicklungen gestellt werden.“ Gemeint sind vor allem die beiden Häfen Duisburg und Gwadar.

China-Strategie der Stadt Duisburg

Als Folge dieser Entwicklungen erarbeitet die Stadt Duisburg mit wissenschaftlicher Unterstützung eine China-Strategie.

In den letzten Jahren haben sich ca. 100 chinesische Unternehmen in Duisburg etabliert, allein seit 2017 ca. 40. Darunter sind natürlich viele aus der gastronomischen Sparte, aber auch zwei Hotels, die Nanjing Gear Company (Hersteller von Hochleistungsmotoren z.B. für Windkraftanlagen), Logistik-Unternehmen, die zum Teil ihren europäischen Hauptsitz in Duisburg haben, Consulter, E-Commerce, Import und Export u.a.m.

Die China-Strategie soll natürlich auch die Bedürfnisse der chinesischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und von deren Familien erfassen und ihnen und ihren Unternehmen Angebote machen. Die alles soll aber in von der Stadt Duisburg geplanten und organisierten Entwicklungsprozessen geschehen.

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie mit sich verändernden Liefer- und Wertschöpfungsketten, Bildung von nationalen Reserven, Rückverlagerung von strategisch wichtigen und sicherheitsrelevanten Produkten nach Deutschland oder in die EU werden Auswirkungen haben, die näher untersucht werden  müssen. Die Begrenztheit bestimmter Infrastrukturen unter Beachtung sich verschärfender Ziele im Klimaschutz werden auf den Verkehrs- und Logistiksektor erhebliche Auswirkungen haben.

Neues Referat für Chinaangelegenheiten

Die Stadt Duisburg hat sich in ihrer China betreffenden wirtschaftlichen Ausrichtung neu aufgestellt. Sie hat ein neues Referat „China“ beim Oberbürgermeister eingerichtet sowie erneut einen Chinabeauftragten als Nachfolger von Johannes Pflug ernannt. Das neue Chinareferat wird personell um 2 Personen aufgestockt.

Seit ca. 3 Jahren gibt es einen Wirtschaftsdezernenten, der ebenfalls ein besonderes Augenmerk auf die Chinapolitik hat. Von seinem Dezernat wird auch die von Wissenschaftlern des Instituts für Ostasienwissenschaften der Universtität Duisburg-Essen (INEAST) zu entwickelnde Studie für eine China-Strategie betreut.

Die Gesellschaft für Wirtschaftsförderung der Stadt Duisburg wurde neu gegründet und heißt jetzt Duisburg Business und Innovation GmbH und strebt eine engere Zusammenarbeit mit dem China Business Netzwerk Duisburg (CBND) an.

Allerdings wird die Stadt Duisburg keine großen Flächen mehr für die Logistik zur Verfügung stellen, sondern sie wird nun konkrete Ansiedlungspolitik für andere saubere Gewerbebetriebe mit höherer Arbeitsplatzdichte als Logistik betreiben.

Eine unmittelbare Kooperation zwischen der Duisburger Kommunalpolitik und chinesischen politischen Partnern beschränkt sich von Duisburger Seite auf möglichst kontinuierliche Kontakte zu chinesischen Entscheidungsträgern. Dazu gehören regelmäßige gegenseitige Delegationsbesuche und Informationsveranstaltungen. Anders als in China sind deutsche Kommunalverwaltungsstellen i.d.R. keine direkten Wirtschaftspartner für chinesische Unternehmen, da sie sowohl in ihren wirtschaftlichen Aktivitäten als auch in ihren Finanzierungsmöglichkeiten beschränkt sind. Hier unterliegen sie auch der Kommunalaufsicht durch den Innenminister und der sie ausübenden Bezirksregierung. 

Johannes Pflug, ehemaliger Chinabeauftragter der Stadt Duisburg.