Sechs Jahre Chinabeauftragter der Stadt Duisburg

17.06.2021Johannes Plfug

In einem Interview gibt Johannes Pflug einen Rückblick auf seine Zeit als Chinabeauftragter der Stadt Duisburg. Die Fragen stellte CBND-Gründungsmitglied Stefanie L. Meyer.

Wie ist es dazu gekommen, dass die Stadt Duisburg einen Chinabeauftragten ernannt hat?

Am 28. März 2014 traf der erste offizielle Seidenstraßenzug aus der chinesischen Supermetropole Chongqing im Logistikzentrum Logport des Duisburger Hafens in Rheinhausen ein. Ab nun sollten regelmäßig, zunächst wöchentlich, zwei Züge aus China in Duisburg eintreffen – mit steigender Frequenz. Am Jahresende 2014 waren es bereits 5bis 6 Züge wöchentlich. Heute hat sich die Zugfrequenz auf rund 50 Züge verzehnfacht.

Dem Duisburger Oberbürgermeister war damals sofort klar, dass dies die Beziehungen Duisburgs zu China von der damals 32 Jahre alten Städtepartnerschaft mit Wuhan auf eine viel breitere Beziehungsbasis auch mit anderen chinesischen Städten stellen würde. Sofort begann man damals im Duisburger Rathaus mit der Planung einer Delegationsreise nach Chongqing und Wuhan noch im selben Herbst des Jahres 2014.

Die Frage, ob ich die Delegation nach China begleiten könne, musste ich leider verneinen, da ich mich zum geplanten Abflugtermin der Delegation selbst auf einer Chinareise befand. Aber es ließ sich von mir einrichten, dass ich schon nach zwei Tagen zu der Delegation des Oberbürgermeisters in Chongqing stieß und sie bis zum Schluss begleitete.

Was waren/sind Deine Berührungspunkte mit China – vor und nach dem Amt?

Wenige Wochen später wieder in Duisburg fragte mich der Oberbürgermeister, ob ich bereit sei, für die Stadt Duisburg als Chinabeauftragter tätig zu werden. Dies deshalb, weil ich zuvor für die SPD-Bundestagsfraktion 16 Jahre lang als Ostasien- und insbesondere als Chinaexperte und in den letzten 4 Jahren zugleich stellvertretender außenpolitischer Sprecher tätig gewesen war.

Hinzu kamen meine Mitgliedschaft im Europarat und meine Funktion als deutscher Delegationsleiter der Interparlamentarischen Konferenz für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU. Damit verfügte ich über gute Kontakte nach China und Europa. Ich willigte ein, eine solche Aufgabe auf ehrenamtlicher Basis und ohne hierarchische Zuordnung innerhalb der Verwaltung auszuführen.

Aus den ursprünglich ins Auge gefassten 4 bis 6 Wochenstunden wurden schon bald 20 Stunden in der Woche – vor allem auch deshalb, weil ich im Mai 2015 mit tatkräftiger Unterstützung von Christian Müller-Kemler von PKF Fasselt, Susanne Löhr vom Konfuzius-Institut Metropole Ruhr, Heike Maus vom Team Internationales der Stadtverwaltung Duisburg und Ralf Meurer von der GfW damit begonnen hatte, ein China-Netzwerk in Duisburg zu organisieren. Nach sechsmonatiger Vorarbeit konnte sich das CHINA BUSINESS NETZWERK DUISBURG (CBND) dann schließlich im Dezember 2015 offiziell als e. V. konstituieren.

In der Zwischenzeit hatte die Zahl der offiziellen Besucher und Besuchsdelegationen aus China immer weiter zugenommen und auch die Zahl deutscher Gesprächspartner war immer größer geworden. Bald war dem Oberbürgermeister klar, dass wir meiner Tätigkeit nun auch einen offiziellen, vertraglich geregelten Status geben mussten. Dies ging schnell und einvernehmlich weiter auf ehrenamtlicher Basis aber mit einem Büro im Innenhafen.

Der §1 des Vertrages war eine Generalklausel für die Wahrnehmung der Aufgaben des Chinabeauftragten. Hier heißt es unter anderem: „Herr Pflug nimmt … für die Stadt Duisburg im Auftrag des Oberbürgermeisters die Aufgabe des Beauftragten für die städtischen Chinakontakte wahr.“ Dazu gehörten unter anderem die Repräsentation der Stadt Duisburg im Rahmen von offiziellen Kontakten zwischen der VR China und der Stadt. Wohlgemerkt nicht nur zwischen Wuhan und der Stadt Duisburg. Vorbereitung und Durchführung von Delegationsreisen (das bedeutet in beide Richtungen), Begleitung wirtschaftlicher Aktivitäten zwischen chinesischen Wirtschaftspartnern und der Stadt unter Einbindung der GfW und schließlich Vermittlung von Kontakten zu Vertretern aus Wirtschaft und Politik in Deutschland und China. Das war der Stand im April 2016. Was man zu diesem Zeitpunkt so noch nicht voraussehen konnte, war ein lawinenartiges Anwachsen von Interviewwünschen sowohl der Print- wie auch der elektronischen Medien – von Hochschulen und Examenskandidatinnen und -kandidaten bis zu Vortragsanfragen von Vereinen und Verbänden.

Was waren Highlights als Chinabeauftragter?

Spätestens in der zweiten Jahreshälfte 2017 begann sich die Tätigkeit des Chinabeauftragten zu einem Fulltime-Job zu entwickeln. Hinzu gekommen war noch die dringliche Bitte von anderen Akteuren, die sich zum Teil ebenfalls seit vielen Jahren mit China befassten, bei der Gründung eines bundesweit tätigen Dachverbandes der in Deutschland tätigen chinesischen Freundschaftsvereine mitzuwirken. Diese Arbeitsgemeinschaft Deutscher China Gesellschaften (ADCG) nahm ihre Arbeit Anfang 2016 auf. Und natürlich ließ man mich nach der Vorbereitungsphase nicht unerkannt entkommen. Also wurde ich einer der Vizepräsidenten. Um deutlich zu machen, welches Interesse die Stadt Duisburg – und auch ihr Chinabeauftragter – erfuhren, nachfolgend ein Ausschnitt aus der Liste der Interviewer und Gesprächspartner:

FAZ, SZ, Die Welt, NZZ, Hannoversche Allgemeine, Stuttgarter Zeitung, Handelsblatt, Der Spiegel, WirtschaftsWoche, Focus, chinesische Zeitungen und chinesisches Fernsehen, japanische Zeitung und japanisches Fernsehen, De Volkskrant, Jyllands Posten, Washington Post, Postimees/Estland, Financial Times, Le Monde, ZDF, ARD , BBC, Goethe-Institut, UNI Berlin, Bochum, Hannover, Heidelberg, Friedrichshafen, Think Tanks, US-Diplomaten etc.

Parallel dazu wuchs die Zahl der Delegationsbesuche mit Chinabezug in Duisburg immer stärker an. Im Jahr 2019 waren es allein 60 Delegationen aus China.

Das alles hatte natürlich zur Folge, dass Duisburg als Seidenstraßen-Stadt und als China-Stadt, wie es auch der Duisburger Oberbürgermeister schon früh formuliert hatte, nicht nur in Deutschland, sondern auch international bekannt wurde. In China wird Duisburg heute mit Berlin in einem Atemzug genannt.

Natürlich konnte und wollte ich mich im Oktober 2019 auch nicht dem Wunsch des Bundestagsvizepräsidenten Dr. Friedrich entziehen, Gründungsmitglied der CHINA-BRÜCKE (analog der Atlantik-Brücke) und einer der stellvertretenden Vorsitzenden zu werde, zumal diese CHINA-BRÜCKE im Unterschied zur ADCG, die sehr kulturell ausgerichtet ist, sehr stark mit wissenschaftlicher Unterstützung und unter Mitgliedschaft und Beteiligung der Wirtschaft arbeitet.

In Duisburg hatte ich dann Ende 2018 ein Konzeptpapier für die Entwicklung einer China-Studie und einer daraus abzuleitender China-Strategie formuliert. Die daraus resultierende wissenschaftliche Studie ist bei Wissenschaftlern der UNI Duisburg/Essen zurzeit in Arbeit. Wirtschaftsdezernent Andree Haack ist Auftraggeber für die Studie und begleitet sie. Zugleich bereitet er die China-Strategie vor.

Was hat sich in Deiner Zeit als Chinabeauftragter in Duisburg hinsichtlich China verändert?

Als Konsequenz aus den enorm gewachsenen Chinaaktivitäten – und dem ebenso gewachsenen Interesse von chinesischen als auch deutschen Geschäftsleuten an dem Standort Duisburg – hat die Stadt Duisburg sich im Wirtschaftsbereich neu aufgestellt. Dazu gehören auch eine völlige Neuaufstellung der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (GfW) sowie personelle Veränderungen im Wirtschaftsdezernat und im Dezernat des Oberbürgermeisters mit dem Ziel der Verstärkung des wirtschaftsbezogenen Chinabereichs.

Eine von mir immer wieder vorgebrachte Hoffnung und Unterstützung von Spill-over-Effekten aus dem Logistik-Bereich des Hafens in die Stadt hinein wird nun erklärte Politik der Stadt. Es muss auch endlich deutlich werden, dass der Hafen Teil der Stadt Duisburg ist und diese ein Drittel Anteilseignerin. Ebenso wichtig und richtig ist es, dass die Stadt zukünftig Flächen braucht für hochwertige Wirtschaftsansiedlungen mit möglichst vielen Arbeitsplätzen und zusätzlich versucht, einen Spill-over-Effekt aus unserer Nachbarstadt Düsseldorf zu generieren. 

Also, genug zu tun:

Als ich 2018/19 feststellte, dass ich mich wieder in einem Arbeitsrhythmus wie zu meiner Zeit im Bundestag befand, sprach ich mit dem Oberbürgermeister darüber. Wir beide einigten uns darauf, dass ich spätestens mit meinem 75. Geburtstag aufhören würde. Der war im April und folgerichtig habe ich Ende April als Chinabeauftragter der Stadt aufgehört. Wie ich bereits ausführte, ist die Stadt seit circa einem Jahr dabei, sich im Chinabereich neu aufzustellen – und ich bin sicher, dass sie auch hinsichtlich meiner Nachfolge sehr gute personelle Entscheidungen getroffen hat.

Für 2 bis 3 Jahre werde ich noch den Vorsitz im CBND und die Funktionen als stellvertretender Vorsitzender in der ADCG und in der CHINA-BRÜCKE behalten, dann aber nur noch interessierter Pensionär sein.

Was wirst Du nun tun?

Zurzeit schreibe ich einen Kriminalroman mit Schauplatz Duisburg. Macht mir großen Spaß.

Herzlichen Dank an Johannes Pflug für das Interview und weiterhin alles Gute!

Bis April 2021 war Johannes Pflug als Chinabeauftragter der Stadt Duisburg tätig.